Angehende Notfallsanitäter werden in Klinik auf Konfliktsituationen vorbereitet
Dank einer frisch geschlossenen Kooperation zwischen der Klinik Wersbach in Leichlingen-Witzhelden und der Landesschule Nordrhein des DRK absolvieren zukünftige Rettungskräfte einen Teil ihrer dreijährigen Ausbildung auch im Klinikalltag mitten im Bergischen Land. Begleitet vom Fachpersonal der Klinik gewinnen sie Einblicke in Diagnostik und Therapien für psychisch Erkrankte.
Notfallsanitäter brauchen umfassende medizinische Kenntnisse, aber auch Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen. Denn sie kümmern sich in der Notfallrettung und auf Krankentransporten um Menschen in einer Ausnahmesituation, um Unfallopfer oder Menschen mit akuten Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Umso wichtiger ist es, dass die Helfer die Ruhe bewahren und beruhigend auf die Patienten und ihre Angehörigen einwirken. Zunehmend können solche Einsätze auch konfliktträchtig sein: Respektlosigkeit und Aggressionen gegenüber Einsatzkräften nehmen zu. Da ist ein kühler Kopf gefragt. Darauf können sie gut vorbereitet werden.
„Rettungssanitäter müssen im Rahmen ihrer Ausbildung lernen, Menschen in Krisensituationen zu beruhigen. Die seelische Betreuung ist wichtig. Für die Vorbereitung darauf brauchen die Ausbilder Partner“, sagt Ali Sevinmez, Geschäftsführer der Klinik Wersbach für seelische Gesundheit in Leichlingen-Witzhelden. Als die Landesschule Nordrhein des Deutschen Roten Kreuzes durch den Kontakt zum Chefarzt Dr. Florange, M.Sc. auf die Fachklinik zuging, um Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten, habe man sich daher bereit erklärt, Schülerinnen und Schüler der Landesschule des DRK aufzunehmen. „Bei den Einsätzen ist es wichtig, dass die Notfallsanitäter mit allem umgehen können, was sie am Einsatzort erwartet – letztlich auch mit Konflikten oder Aggressionen. Früher ging es im Unfallrettungsdienst eher darum, Patienten für den Transport zu „verschnüren“ und ins Krankenhaus zu bringen“, sagt Simeon Schwarz, Leiter der DRK-Landesschule in Düsseldorf. „Aber der Mensch als Ganzes ist auch ein psychisches Wesen. Heutzutage ist es zunehmend wichtig, in einer Ausnahmesituation wie einem Notfall auch auf die Psyche einzugehen.“ Die Schülerinnen und Schüler absolvieren den praktischen Teil ihrer Ausbildung daher nicht nur in Fachabteilungen verschiedener Kliniken, sondern auch in einer Fachklinik für psychische Erkrankungen. Dort erfahren sie von Experten viel über die Psyche des Menschen – auch in extremen Situationen.
Neben der Zusammenarbeit mit dem DRK kooperiert die Klinik Wersbach bereits mit der Deutschen Sporthochschule sowie mit der Fachhochschule Fresenius, um Studenten der Fachrichtungen Prävention/Rehabilitation und Psychologie Praktika zu ermöglichen. „Unser Maßstab ist immer, dass wir nach außen hin als Kompetenzzentrum wahrgenommen werden. Bei solchen starken Partnern mit Renommee ist das eine Bestätigung“, sagt der Chefarzt Dr. Florange.
Flächendeckend habe das DRK weitere Kooperationspartner gewonnen, um angehenden Notfallsanitätern jeweils einen Praktikumsplatz in der Nähe ihres Wohnortes bieten zu können. Jeweils zwei Notfallsanitäter-Schüler aus der Region können nun einen praktischen Teil ihrer Ausbildung in Vollzeit für einige Wochen in der Klinik Wersbach für seelische Gesundheit absolvieren. Dabei geht es nicht um theoretische Ausbildungsinhalte, diese steuert das DRK. Vielmehr lernen die die jungen Menschen den Klinikalltag, den Umgang mit den Patienten und die Behandlung psychisch Erkrankter hautnah kennen: Abgesehen von der Teilnahme an Einzeltherapien, die nur mit Zustimmung der Patienten möglich ist, steht ihnen alles offen – angefangen beim Aufnahmegespräch bis hin zu Therapieverfahren. Hauptthema wird der pflegerische Bereich sein. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen Einblicke in die Behandlungsmöglichkeiten wie Gruppengesprächstherapien, die tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch, konfliktorientiert und ressourcenorientiert ausgerichtet sind. Auch bei den Komplementärtherapien wie Musik-, Kunst- und Ergotherapie oder Entspannungsverfahren sind die „Gäste“ willkommen. Somit werden sie für das Thema psychische Erkrankungen, aber auch für ein ganzheitliches Menschenbild sensibilisiert. In allen Bereichen erfahren sie, wie die psychisch Erkrankten reagieren – auch in Notfällen. Zum Klinikalltag gehören eher zuweilen erhitzte Gemüter während konflikthafter Gesprächstherapien, so Ali Sevinmez. Wie Therapeuten und Pflegefachkräfte deeskalierend auf Patienten einwirken, das erleben die „Praktikanten“ in realen Situationen. Krisen- und Notsituationen ließen sich ohnehin nur schwer simulieren.
Die Betreuung der Externen bedeutet für die Klinik, insbesondere für das Pflegepersonal, zwar Mehrarbeit, „aber diesen Beitrag für die Azubis und die Gesellschaft leisten wir gerne. Und unsere Mitarbeiter sind hoch motiviert, die Aufgabe zu übernehmen“, sagt Ali Sevinmez. Ähnliche Einblicke in den Klinikalltag gewähre man seit einigen Jahren angehenden Physiotherapeuten. „Wir haben damit nur gute Erfahrungen gemacht.“